Friedrich Merz spricht von einem „leidigen Thema“, das er mit der sogenannten „Neuen Grundsicherung“ noch vor Weihnachten abhaken möchte. Doch während es für ihn offenbar nur eine unangenehme politische Debatte ist, betrifft es rund 5,5 Millionen Menschen, für die es um ihre Existenz geht.
Die „Neue Grundsicherung“ ist nicht viel mehr als eine sichere Armutsgarantie: „Diese Politik greift die Grundfesten unseres Sozialstaats direkt an. Ein Mindestlohn, der nicht vor Armut schützt, ein aufgeweichter 8-Stunden-Tag und verschärfte Sanktionen, die Menschen bis an oder unter das Existenzminimum drängen – all das trifft diejenigen, die ohnehin am verletzlichsten sind und sich am wenigsten wehren können. Diese Maßnahmen richten sich nicht nur gegen Bürgergeldbeziehende, sondern stellen einen Angriff auf soziale Sicherheit insgesamt dar. Was hier passiert, betrifft uns alle.“ kritisiert Cansın Köktürk, sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.
Wer ein Jobangebot ablehnen wird, kann laut Gesetzentwurf künftig den kompletten Regelsatz (563 Euro für Erwachsene) entzogen bekommen. Für Leistungsbeziehende, die mehrere Termine verpassen werden, sollen die Jobcenter zukünftig alle Zahlungen einstellen können – einschließlich der Mietkosten. Geregelt wird das im Gesetzentwurf über die Konstruktion einer „Nichterreichbarkeit“ (§ 7b, Absatz 4).
„Die Reform ignoriert die Realität vieler Langzeitarbeitsloser. Meine Erfahrungen aus der sozialen Arbeit, aber auch diverse Studien zeigen, dass gesundheitliche Probleme der Hauptgrund dafür sind, dass Menschen keinen Job finden. Statt gezielt zu unterstützen, werden gerade Menschen mit psychischen Erkrankungen allen Sanktionsmaßnahmen in voller Härte ausgesetzt.“, bemängelt Cansın Köktürk.
Die „Neue Grundsicherung“ wird künftig für rund 5,5 Millionen Leistungsbeziehende gelten, darunter etwa 2 Millionen Kinder. Rund 40 Prozent der Betroffenen sind erwerbstätig oder befinden sich in Ausbildung und sind dennoch auf ergänzende Leistungen angewiesen. Ab Juli 2026 sollen neben verschärften Sanktionsregelungen auch weitergehende Verpflichtungen in der Arbeitsvermittlung eingeführt werden – darunter ein strikter Vermittlungsvorrang sowie eine faktische Vollzeitpflicht. Zusätzlich sind Einschränkungen bei den Kosten der Unterkunft vorgesehen. Gleichzeitig werden Maßnahmen zur nachhaltigen Vermittlung in Arbeit nicht im erforderlichen Umfang ausgebaut. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass das erklärte Ziel, die Zahl der Leistungsbeziehenden deutlich zu reduzieren, mit den vorgesehenen Instrumenten nicht erreicht werden wird.
Gerade für die Programme zur „Teilhabe am Arbeitsmarkt“, die nachweislich zu einer erfolgreichen Integration von Langzeitarbeitslosen beitragen, stehen weiterhin nicht ausreichend Mittel zur Verfügung. Zwar wird das Budget formal erhöht, faktisch jedoch werden die zusätzlichen Gelder bereits jetzt durch die laufenden Verwaltungskosten der Jobcenter aufgezehrt. Diese Kosten werden infolge der Reform weiter steigen, da der Aufwand für Kontrolle und Sanktionen erheblich zunimmt.
In der finanziellen Gesamtbilanz bedeutet dies, dass für die Jahre 2027 und 2028 zusätzliche Ausgaben von bis zu 10 Millionen Euro zu erwarten sind – ohne dass dies in einen Ausbau der tatsächlichen Unterstützungs- und Vermittlungsleistungen für Langzeitarbeitslose mündet.
„Diese Reform ist zutiefst unmenschlich und offenbart, für wen diese Politik tatsächlich gemacht wird. Diese Regierung zeigt keinerlei Interesse an den realen Lebenslagen der Menschen. Sie hört nicht zu, sie versteht nicht, was es bedeutet, in solchen existenziellen Nöten zu leben, und sie scheint kein Gespür dafür zu haben, welche Härten ihr Vorgehen für die Verletzlichsten in unserer Gesellschaft mit sich bringt. Wer glaubt, wir würden nicht erkennen, dass diese Reform auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wird, der irrt sich gewaltig. Wir werden alle Betroffenen dabei unterstützen, sich gegen dieses Unrecht zu wehren“, so Cansın Köktürk.
Gemeinsam mit meinem Team habe ich mir den Entwurf zur „Neuen Grundsicherung“ (Stand: 10.12.2025) genauer angeschaut und die schwerwiegendsten Änderungen zusammengefasst. Hier findet ihr eine Zusammenstellung mit unseren größten Kritikpunkten und Bewertungen als Übersichtsseite.