Monatsrückblicke

Zwischen den Welten: Wir sind hier, Merz – Gewöhn dich dran

By 27.10.2025Oktober 29th, 2025No Comments

Ich wünschte, ich könnte dir erzählen, Opa, dass der deutsche Bundeskanzler jetzt über das “Stadtbild” spricht. Du würdest mich ansehen, mit dem Kopf schütteln, tief seufzen und dann dieses kleine, müde Lächeln zeigen, mit dem du alles kommentiert hast, was zu dumm war, um ernst genommen zu werden.

Deine Knochen, deine Lunge haben geackert für dieses Land. Für das Pflaster unter unseren Füßen, für das Dach über unseren Köpfen, für die Möglichkeit, dass deine Kinder und Enkel hier ein Leben führen dürfen. Du hast geglaubt, Menschlichkeit und Würde seien die Sprache, die alle verstehen.

Meine Großväter kamen mit einer Tasche voller Hoffnung und Händen, die für ein neues Leben bereit waren. Und während sie am Abend müde heim kamen, glaubten sie daran, dass ihre Kinder und Enkel eines Tages in einem Land leben würden, das sie als Teil seiner selbst begreift.

Zu oft hat Friedrich Pascha Merz Menschen herabgewürdigt, zu oft mit kalter Selbstverständlichkeit Rassismus und Hetze verbreitet. Zu oft hat er Menschen weniger Wert zugestanden, weil sie nicht in sein Bild passen oder nicht die Möglichkeit haben zu arbeiten. Es ist Rassismus und Verachtung im Anzug, verpackt in Phrasen über Ordnung und Anstand – und er sitzt im Kanzleramt, als wäre das normal.

Ein Mann wie Merz, aufgewachsen in Vorstandsetagen, wo die Luft dünn ist und Mitgefühl noch dünner, erlaubt sich, ganze Generationen von Arbeiter*innen und Schutzsuchenden zu beleidigen. Menschen, die dieses Land aufgebaut, repariert haben und am Laufen halten, deren Schweiß in jedem Stein dieser Städte steckt. Und während er aus sicherer Höhe urteilt, ignoriert er, wer wirklich das Fundament dieses Landes trägt.

Wenn Merz davon spricht, dass Menschen, die nicht deutsch genug aussehen, das Stadtbild zerstören würden, dann ist das nichts anderes als rassistische Hetze. Es geht ihm darum, Minderheiten, Migrantinnen und alle, die nicht in sein Bild passen, kleinzumachen. Wer die Schwächsten angreift, wer Menschen nach Herkunft oder Aussehen bewertet, der greift uns alle an.

Wir sind nicht Gäste. Wir sind Teil der Geschichte, Teil der Zukunft. Unsere Heimat ist da, wo Solidarität lebt. Wo der Nachbar die Sprache vielleicht nicht perfekt spricht, aber das Herz am richtigen Fleck hat. Wo man sich hilft, statt zu hetzen. Und wenn Merz und seine Anhänger glauben, sie könnten uns mit ihren Sprüchen vertreiben, dann irren sie sich. Denn unsere Wurzeln reichen längst tiefer, als ihre Parolen jemals fallen könnten.

Dein „perfektes Deutschland“, Merz, ist ein Märchen deiner Vorstandsetagen. Denn die Wahrheit ist: Vielfalt baut Städte. Wer Migrantinnen angreift, wer Arbeiter*innen kleinredet, greift die Gesellschaft an. Was denkt er eigentlich? Dass wir, Kinder und Enkel derer, die dieses Land aufgebaut haben, uns erklären lassen müssen, was deutsch ist?

Seit unseren Kindertagen werden wir mit Rassismus überschüttet. Mit Diskriminierungen, die sich in unsere Lebensläufe und unsere Körper eingeschrieben haben. Und dann kommen sie – die weißen Erklärerinnen und Erklärer, die uns sagen wollen, wie die Welt funktioniert. Ihr habt keinen Schimmer davon, was wir fühlen und ertragen, wenn solche Debatten geführt werden.

Und dann gibt es diejenigen, die glauben, sie dürften über unsere Stimmen bestimmen, die uns vorschreiben wollen, wie wir zu sprechen, zu fühlen, zu existieren haben. Wie süß. Sie sitzen in ihren Sesseln, reden von „Integration“ und „Stadtbild“, aber sie haben keine Ahnung von unserem Leben, unserem Schweiß, unserer Geschichte. Ihr könnt alle mal den Mund halten.

Wir werden nicht mehr um Erlaubnis bitten, Teil zu sein. Wir sind es längst, und alle, die dazu kommen, Schutz suchen, vor deutschen Waffen fliehen und Sicherheit brauchen, sind Teil von uns. Wir sind die Schatten und die Sonne dieser Städte, wir sind das, was sie fremd nennen, wenn sie eigentlich lebendig meinen. Sie fürchten unsere Lebendigkeit, weil ihre eigenen Herzen längst erkaltet und leer sind.

Manchmal denke ich, Opa, vielleicht war dein Lachen auch eine Form von Widerstand.

Weil du wusstest, dass Würde in diesem Land nicht gegeben, sondern verteidigt wird.

Aber weißt du was ich gelernt habe?

Niemand nimmt uns unsere Heimat oder diktiert, wie wir zu fühlen und zu handeln haben. Wir sind die Zukunft. Ob sie wollen oder nicht.